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Von Silberrücken und jungen Wilden

Es hat sich Einiges getan auf dem Affenfelsen der FT 1844. Das Herren-Bundesligateam begrüßt zahlreiche Gesichter in ihren Reihen, andere altbekannte haben den Felsen verlassen oder finden sich veränderter Position. Die Liste der Veränderungen ist lang: Der langjährige Chefcoach und „Silberrücken“ Wolfgang Beck tauschte mit Libero Jakob Schönhagen kurzerhand die Rollen. Wichtige Spieler der letzten Spielzeiten können aus beruflichen oder familiären Gründen nicht mehr -oder nur noch zeitweise- mit der Freiburger Affenbande auf Punktejagd gehen. Dafür gibt es nicht wenige neue Gesichter zu begrüßen, die sich allesamt einen Namen im Burdadschungel machen wollen. In der Fußball-Bundesliga, etwa auf Schalke oder in Hamburg, wäre es wohl üblich, unter ähnlichen Umständen von einer „Umbruchsaison“ zu sprechen. So hätte man zugleich eine Rechtfertigung für jegliche Missgeschicke in der kommenden Spielzeit parat.
Von einem großen Umbruch will Manager Florian Schneider, der neben dem Neu-Coach Schönhagen die Affenbande beisammen hält, aber ausdrücklich nicht sprechen. Klar gibt es einige Veränderungen, doch sieht Schneider auch viel Konstanz. Es gibt sie ja noch: Die alten Silberrücken, die in schwierigen Situationen vom Gipfel des Affenfelsens aus die Übersicht behalten, die jungen Wilden anleiten und schlicht ihre spielerische Qualität schon unzählige Male unter Beweis gestellt haben. Neben Neu-Libero Wolfgang Beck gehört zu ihnen zweifellos auch der Kapitän Marcus Gensitz. Der Außenangreifer lässt -auf die neue Konstellation in der Affenbande angesprochen- keinen Zweifel daran, dass er bereit ist, spielerisch und abseits des Platzes Verantwortung zu übernehmen. Fragt man ihn nach der bisherigen Vorbereitung, wird der sonst recht abgeklärte Gensitz fast euphorisch: Der neue Input kommt an und wird umgesetzt, die Trainingsbeteiligung erreicht neue Höhen, die Affen haben Spaß miteinander und am Volleyballspielen.
Die letzte Woche war besonders intensiv. Insgesamt sechs Testspiele absolvierte die Mannschaft, drei davon allein am Wochenende. Dazu verließen die Affen auch den angestammten Burdadschungel und begaben sich auf einen Trip nach Frankfurt und Giesen. Spielerisch und persönlich bot ein solcher Trip der Mannschaft große Möglichkeiten, sich kennenzulernen. Zwar zeigte sich in den Testspielen noch die ein oder andere Baustelle, doch die schwerpunktmäßig trainierten Inhalte funktionierten zu diesem frühen Zeitpunkt schon auffallend gut. Zudem tut – wie Manager Schneider anmerkt – ein leichtes Holpern in den Testspielen auch mal ganz gut, da es frühzeitig Korrekturbedarf anzeigt und die Konzentration hochhält.
Derart positive Berichte über die eigene Vorbereitung sind in den Saisonvorschauen anderer Teams sicherlich keine große Seltenheit. Auch unseren Affen ist klar, dass sie mächtige Konkurrenten auf der Jagd nach Punkten haben. Die Liga hat mächtig zugelegt. Klare Abstiegskandidaten sind nicht zu erkennen. Die Leistungsdichte, gerade in der Spitze, ist dieses Jahr noch einmal gegenüber der schon enorm kompetitiven Vorsaison angestiegen. So stellt sich natürlich die Frage, wie weit nach oben es die Affenbande in der Nahrungskette schaffen kann. Was den Tabellenplatz angeht, gibt man sich auf dem Affenfelsen erstmal recht bescheiden: Erstes Ziel sei der möglichst frühe Nichtabstieg. Ohne sich -gleich eines Gorrilas- sofort kraftstrotzend auf die Brust klopfen zu müssen, folgen dem doch auch mutigere Töne: „Wenn wir alles zeigen, was wir können, ist für uns jedes Team der Liga schlagbar“, so Gensitz. Manager Schneider nennt noch zwei weitere Ziele, die ihm sehr wichtig sind. Auch weiterhin sollen in Freiburg die eigenen jungen Spieler nach vorne gebracht und in der ersten Mannschaft integriert werden. Hier sieht er zahlreiche talentierte Jungaffen, die schon in dieser Saison ihre Duftmarke im Burdadschungel hinterlassen könnten, womit wir beim letzten Ziel wären. Last-but-not-least sollen wieder „richtig geile Heimspiele“ her! - Wie beim letzten Heimspiel vergangener Saison gegen Eltmann, als sich eine begeisternd aufspielende Mannschaft und ohrenbetäubend lautes Publikum gegenseitig mitrissen und der Meister in einem Fünf-Satz-Krimi geschlagen werden konnte.
+++ Der nächste Schritt +++
Seit fast fünfzehn Jahren schmettert sie jetzt in der 2. Bundesliga. Die Affenbande aus dem Breisgau und ihr Burdadschungel sind die feste Größe und Konstante der Südstaffel. Kein Team ist länger durchgehend dabei. In die kommende Saison gehen sie dennoch mit großen Veränderungen. Zum ersten Mal seit langem. Der Umbruch als Neustart. Der nächste Schritt.
Manche Dinge werden sich nie ändern. In der schnelllebigen Welt des Leistungssports ist Wolfgang Beck ein Unikat. Seit zwanzig Jahren ist er seiner FT 1844 Freiburg treugeblieben. Erst als Spieler, dann zehn Jahre als Spielertrainer, zuletzt ein Jahr als reiner Coach. Eigentlich war im Frühjahr Schluss. Zu seiner Abschlusspartie als Headcoach platzte der Burdadschungel aus allen Nähten. Seine Mannen bedankten sich mit einer Show der ganz besonderen Art, ließen ihr ganzes Talent aufblitzen und verschoben durch einen haarknappen Tiebreak-Erfolg über den späteren Titelgewinner VC Eltmann deren Meisterfeier um einen Tag. Die Nacht wurde zum Tag. Die Geschichte schien geschrieben, das Happy End war ja da.
Becks Nachfolger ist sein alter Schützling. Jakob Schönhagen war sieben Jahr lang Libero der Breisgauer Schmetterkünstler. Er hat Beck zurück in die Hallenschuhe beordert und ihn zum Libero berufen. Beck ließ sich nicht lumpen und hat den Sommer brav trainiert. Eigentlich als Backup. Da Libero-Konkurrent Oliver Morath nun aber das erste Tertial seines Praktischen Jahrs im Ausland verbringt, schlägt Becks Stunde. „Ein Glücksfall für uns“, freut sich Florian Schneider, „denn die ganze Liga rüstet auf, mehr noch als letztes Jahr. Wir sind froh, dass wir mit Wolfgang einen der erfahrensten und besten Annahmespieler der Liga sichern konnten.“ 1844 ohne Beck: Gibt es nicht.
Neben der Beck-Konstante hat sich aber einiges getan. In David Strobel und Peter Schnabel haben zwei absolute Leistungsträger den Verein verlassen. Erster wird die ersten Wochen aber noch aushelfen. „Dafür sind wir Strobo sehr dankbar“, betont der sportliche Leiter, Schneider. Vorsicht ist sein oberstes Gebot. Das Niveau der Liga geht durch die Decke. Da die Auflagen für infrastrukturelle Maßnahmen in Liga Eins einen großen Teil der Etats beanspruchen, kommen zahlreiche Spieler, die früher den Weg in die höchste Spielklasse gefunden hätten, in der 2. Bundesliga unter. Die beiden Aufsteiger Karlsruhe und Unterhaching haben sich mit Jens Sandmeier und Roy Friedrich langjährige Erstliga-Akteure ins Boot geholt und wollen oben mitspielen.
Meister Eltmann hat in Zuspieler Daniel Schmitt einen starken Neuzugang zu verzeichnen, der Titelgewinner der beiden Vorjahre in Thiago Welters einen neuen Trainer. Der Stamm des Teams ist zusammengeblieben. Grafing, letztes Jahr noch Abstiegskandidat bis zum letzten Spieltag, kann mit dem neuen Außenangreifer Julius Höfer und Zuspielfuchs Fabian Wagner sicherlich ganz vorne mitspielen. Die beiden Ost-Teams Delitzsch und Leipzig üben sich im Understatement, wie immer, haben aber auch starke Teams, wie immer. Der letztjährige Dritte Mainz hat den Kader verjüngt und hofft sein Überraschungsjahr zu wiederholen. Hammelburg will nach einem Seuchenjahr kein Risiko gehen und hat mächtig in die Tasche gegriffen. Moritz Rauber, Georg Wolf heißen die beiden prominentesten Neuzugänge. Die beiden Internate Frankfurt und Friedrichshafen haben ordentliche Jahrgänge und können zum Stolperstein werden. Die Bundesligareserve aus Rüsselsheim setzt auf die Geschicke von Trainerlegende Luis Feradas. Auch bei Vizemeister Schwaig sitzt der Geldbeutel locker, der SV behält seine vier Profis und verpflichtet noch einen portugiesischen Nationalspieler.
„Es ist schon verrückt, seit drei Jahren steigt das Niveau kontinuierlich an“, findet Schneider, der aber froh ist, den eigenen Kader punktuell verstärkt zu haben. Auf der Mittelblockposition kehren in Simon Schmid und August Sigle zwei ehemalige Freiburger Regionalligaspieler zurück, die vergangene Saison in Radolfzell ihr Glück in der Dritten Liga versuchten und dort eine gute Figur gemacht haben. Schnellangreifer Johannes Stemmann bleibt dem Team zwar erhalten, kann aber aufgrund seiner beruflichen Verpflichtungen als größter Zahnarzt Deutschlands volleyballerisch nur noch kleinere Brötchen backen. Eric Dufour-Feronce, Stemmanns kongenialer Mitteblock-Kollege seit acht Jahren, trainiert zwar so fleißig wie seit Jahren nicht, schreibt aber im Oktober Examen und gönnt sich danach eine kurze Auszeit. Drei U18-Jugendspieler bekommen die Chance, sich auf Bundesliganiveau zu präsentieren: Tom Kaufhold (Zuspieler), Paul Botho (Diagonalangriff) und Luc Hartmann (Außenangriff). Alter und neuer Zuspieler ist Marc Zimmermann. Besonders große Freude bereitet den Verantwortlichen die Nachricht, dass Zuspieler Bernhard Steiert nach seiner Rückenop wieder erste Volleyballversuche wagt. Und Steller Lorenz Rudolf bleibt nach überragender Vorbereitung in Lauerhaltung.
Den Part des Außenangreifers teilen sich Kapitän Marcus Gensitz, Paul Mauch und Giovanni Böwer. Insbesondere Gensitz geht vorweg, ist fit wie nie, bereit für den nächsten Schritt. Auf Diagonal stellen Oliver Hein und Dominic Salomon ein äußerst effektives Duett. Neu im Dschungel ist Jordan Darlymple. Der englische Nationalspieler wagt nach abgeschlossenem Studium im Breisgau die ersten beruflichen Schritte und die nächsten volleyballerische Herausforderung.
Max Meuter ist ein Phänomen. Und seit diesem Sommer ebenfalls Mitglied der Affenbande. Der Transfercoup des Spätsommers. Trotz seiner gerade einmal 1,84-Meter Körpergröße verfügt der Medizintechniker über eine langjährige und hochklassige Volleyballerfahrung. Zwei Spielzeiten war er Stammkraft bei Coburg in Liga 1, in der 2. Bundesliga holte der Außenangreifer jeweils einmal den Titel und die Vizemeisterschaft. „Wegen den viele unerfahrenen und jungen Spielern wollten wir auch an Erfahrung gewinnen“, erlärt Manager Schneider, „das ist uns mit Max besonders gut gelungen.“
„Die Mischung stimmt“, findet der sportliche Leiter daher. Das muss sie auch. Die Liga ist heuer ausgeglichen wie nie. Vieles ist neu bei den Volleyballern von 1844. Beck ist aber noch dabei. Manches ändert sich eben nie.
+++ Eine gesunde Mischung +++
Viel frischer Wind im Dschungel. Insgesamt sieben neue Spieler stehen im erweiterten Kader. Dabei setzt 1844 wie schon seit Jahren hauptsächlich auf die eigene Jugend. Drei U18-Spieler kommen aus der zweiten Mannschaft, zwei Rückkehrer aus der Dritten Liga, einer aus Großbritannien und einer ist ehemaliger Erstligaspieler. Eine Mischung aus jung und wild soll durch Erfahrung und Cleverness ergänzt werden. Die Mischung macht’s im Burdadschungel. Die neuen Spieler im Detail.
Tom Kaufhold
17 Jahre, 1,82m, Zuspieler.
Trotz seiner erst 17 Lenze spielt Kaufhold bereits wie ein alter Hase. Der Zuspielfuchs lernte das Volleyballspiel in der Jugendschmiede von 1844-Jugendtrainer Daniel Raabe und war letztes Jahr Garant für den starken zweiten Platz des Baden-Würrtemberg-Kaders beim A-Pokal. Dort spielte sich Kaufhold als Stammzuspieler in einen Rausch und setzte umsichtig seine Angreifer in Szene. Wenn er seinen noch jugendlichen Körper schnell genug gestählt bekommt, kann er eine gute Rolle im Bundesligateam spielen – trotz seiner erst 17 Lenzen.
Luc Hartmann
17 Jahre, 1,90m, Außenangreifer.
Noch so ein Senkrechtstarter. Vergangene Saison rückte Hartmann erstmals ins Oberligateam der Affenbande auf, spielte sich dort vom Reservisten ins Stammspiel und war am Ende maßgeblich am Aufstieg in die Regionalliga beteiligt. Der annahmestarke Springertyp spielte sich zudem durch starke Leistungen mit der Landesauswahl in den Fokus des Bundestrainers. Beim Silbermedaillen-Gewinner Baden-Württemberg war er wie Kollege Kaufhold im Frühjahr Stammspieler. Johann Verstappen berief den 17-Jährigen daher im Frühsommer in den Kader der Nationalmannschaft für das 8-Nationen-Turnier, wo Hartmann erste internationale Erfahrungen sammeln konnte. Ein Springer auf dem Sprung in die Bundesliga.
Paul Botho
18 Jahre, 2,08m, Diagonalangreifer.
Das Ausnahmetalent durfte bereits letztes Jahr in der Vorbereitung Bundesligaluft schnuppern, zu vielen Einsätzen reichte es aber noch nicht. Das hat Botho als Anreiz gedient, über den Sommer härter an sich zu arbeiten. Erste Erfolge zeitigten sich bereits ind er Vorbereitung, als „Bötchen“ bei Satzgewinnen gegen den Erstligist Rottenburg und Meisterschaftsanwärter Giesen der Nordstaffel tolle Leistungen ablieferte. Neben seinen überragenden körperlichen Vorraussetzungen zeichnet den 17-Jährigen eine tolle Einsatzbereitschaft aus. Beachtlich sind seine Erfolge auch deswegen, weil er überhaupt erst seit zwei Jahren Volleyball spielt. Vergangenes Jahr absolvierte er seine erste Spielzeit im Aktivenbereich. Ein Rohdiamant auf dem Weg zur Professionalität.
Simon Schmid
27 Jahre, 2,00m, Mittelblocker
In Simon Schmid hat ein alter Bekannter den Weg in den Burdadschungel gefunden. Jahrelang war der 2-Meter-Mann Teil der Bundesligareserve und sammelte Regionalligaerfahrung. 2016 lief er einmal für das Bundesligateam auf. Letzte Saison wurde zum Lehrjahr für den engagierten Juristen. In Radolfzell sammelte der 27-Jährige Drittliga-Praxis und erspielte sich mehrmals die MVP-Medaille. In den Vorbereitungsspielen gegen die Erstligisten Bühl, Frankfurt und Rottenburg lies der Ur-Rottweiler bereits seine großen Lernerfolge aufblitzen. Ein engagierter Spieler mit dem Zeug zum Blockgarant.
August Sigle
28 Jahre, 1,98m, Mittelblocker.
Rückkehrer Nummer Zwei. August Sigle lernte wie Schmid das Spiel mit dem gelb-blauen Ball beim TSV Rottweil und war jahrelang Leistungsträger in der Regionalligamannscahft von 1844. Auch der 28-Jährige wagte vergangene Spielzeit den Sprung in die Dritte Liga und war beim TV Radolfzell wie Schmid Leistungsgarant. Der Arzt mit der mitreißenden Art will es diese Saison noch einmal richtig wissen. Besonders in Aufschlag und Angriff könnte Sigle zur Geheimwaffe werden. Abwehrreihen aufgepasst: Der promovierte Mediziner entwickelt sich zur Angriffswaffe.
Jordan Dalrymple
23 Jahre, 1,90m, Außenangreifer.
Ein spektakulärer Spieler. Wenn Dalrymple abhebt, werden Dschungelfans den Atem anhalten. Scheinbar schwerelos gleitet der Engländer dann durch die Lüfte. Der gebürtige Londoner ist der erste Brite im Dschungel überhaupt. Der Nationalspieler zeichnet sich durch seinen unbändigen Perfektionismus aus. Nach seinem Master am Kings College will der 23-Jährige in Deutschland erste volleyballerische Schritte im Ausland machen und sich in den Fokus spielen. Wenn er in der Annahme die Fortschritte der letzten Woche stabilisieren kann, ist Dalrymple ein Mann für die ganz besonderen Momente.
Max Meuter
27 Jahre, 1,84m, Außenangreifer.
„Neben so vielen motivierten, engagierten und jungen, lernfähigen Spielern war es uns wichtig, auch die Erfahrung im Team zu stärken“, kommentiert Manager-Fuchs Florian Schneider seinen Coup des Sommers. In Max Meuter wechselt ein langjähriger Erstligaspieler in den Breisgau. Aufgrund seiner 1,84m gilt der ehemalige Rottenburger und Coburger in Szenekreisen als einer der meistunterschätztesten Spieler. So rechneten in Coburg die wenigsten damit, dass Meuter auf der Außenangreiferposition eine Chance haben würde. Die Neider lehrte der langjährige Kapitän der Rottenburger Bundesligareserve schnell das fürchten, spielte zwei Jahre lang nahezu durchgehend Stamm und kam auf herausragende Angriffsquoten. Der Transferkracher des Spätsommers: ein Spieler mit Köpfchen.